Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, sehr geehrter Herr Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, sehr geehrter Herr Senator für Finanzen,

als Chorsolisten der Komischen Oper kommen wir nicht umhin, uns in dieser prekären Situation an Sie zu wenden. Der geplante temporäre Baustopp in der Behrenstraße sowie die geplanten finanziellen Kürzungen haben uns tief getroffen und erschüttert zurückgelassen. Man muss die Fantasie nicht über Gebühr bemühen, um sich vorzustellen, dass nach einem Aussetzen der baulichen Tätigkeiten für zwei Jahre die Wiederaufnahme derselben durch ein mutmaßlich neues Team, die mit einer Kostenexplosion konfrontiert sein werden, die Sanierung unseres Stammhauses generell in Frage gestellt sein wird. Wir brauchen aber dieses Haus für unsere künstlerische Arbeit. Nicht nur ist durch das Haus in der Behrenstraße eine tiefe kulturelle und historische Verwurzelung der Komischen Oper mit der Stadt Berlin gegeben, auch die dortigen klanglichen Voraussetzungen überflügeln die Möglichkeiten unserer Interimslösung in der Schillerstraße bei weitem. Hier sind bereits durch die Akustik Einschränkungen hinsichtlich des Repertoires vorgegeben. Auch die räumlichen Möglichkeiten, die uns das Schillertheater gewährt, reichen bei Weitem nicht aus, um den produktionsbedingten Notwendigkeiten Genüge zu tun. Die Garderoben- und Bürosituation ist nur durch allseitige Kompromissbereitschaft und den Hinweis auf die Vorläufigkeit akzeptierbar. Auch die Lagermöglichkeiten für Bühnenelemente stoßen an ihre Grenzen. Durch einen vorläufigen Baustopp würden aus Kompromissen Tatsachen geschaffen, die nicht haltbar sind.
Wir sprechen aber nicht ausschließlich in eigener Sache, sondern fühlen uns der von Walter Felsenstein gegründeten Institution verpflichtet. Unser Gründervater prägt noch heute das Kunstverständnis an diesem Haus und ermuntert uns, den Chor nicht allein als stimmliche Einheit, sondern als individuell agierende Künstler:innen, die Musik und Schauspiel gleichwertig miteinander verbinden, zu verstehen. Hierzu verlieh er den Chorsängern den Titel Chorsolisten, der uns ein Anlass und eine Motivation ist, Tag für Tag zu wachsen, unsere individuelle Kleinheit zu überwinden und an der Größe der Institution teilzuhaben, die wir mit Leben füllen. Um unsere künstlerische Arbeit machen zu können, brauchen wir unser Haus in der Behrenstraße.
Der Leitsatz „Eine für Alle“ ist an unserem Haus wörtlich zu verstehen. Hier ist es gelungen, einen Ort der Hochkultur für alle Menschen zu öffnen, was zur Folge hat, dass auch Supermarktverkäufer:innen hier keine Seltenheit sind. In Berlin und darüber hinaus ist dies bei einem Opernhaus ein Alleinstellungsmerkmal. Fehlt ein solcher Ort in unserer Stadt, nimmt man vielen Bürgern einen Zugang zum hochkulturellen Musiktheater, der arm an Hürden und Hindernissen ist, was dem gesellschaftlichen Zusammenhalt einen Bärendienst erweisen würde.
Lassen Sie uns zum Schluss noch - wir können Ihnen das nicht ersparen - unsere Enttäuschung darüber zum Ausdruck bringen, dass es zunächst öffentliche und verbindliche Zusagen Ihrerseits für den Bau gegeben hat, denen Ihr politisches Handeln letztendlich nicht standgehalten hat. Ein solches Verhalten trägt zu der Erosion des Vertrauensverhältnisses zwischen Bürger und politischen Repräsentanten bei und ist ein Element eines weit größeren gesellschaftlichen Problems, das hier nicht zu vertiefen ist.

Die vorangegangenen Ausführungen können Ihnen vielleicht keinen umfassenden Eindruck von unserer Lebenswirklichkeit verschaffen, aber wir hoffen, dass Sie verstehen, dass unsere Arbeit nicht zuletzt von Atmosphäre, Tradition und Geist geprägt ist. Natürlich sind dies keine leicht fasslichen Entitäten und wir muten Ihnen viel zu, wenn wir von Ihnen erwarten, derartiges als Argument gelten zu lassen. Aber bedenken Sie bitte, dass das Haus in der Behrenstraße auch ein symbolischer Ort ist, den zu einer Bauruine inmitten der Hauptstadt werden zu lassen, eine schreckliche Fehlentscheidung wäre. Dies kann eine große Strahlkraft auf die deutsche Kulturlandschaft haben. Sie setzen damit Maßstäbe für die Beurteilung der Wertigkeit von kulturellen Institutionen.

Wir verstehen die Herausforderungen, vor denen Berlin steht, und wissen um die schwierigen Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Dennoch bitten wir Sie die Bedeutung der Komischen Oper Berlin für die kulturelle Identität der Stadt zu berücksichtigen.
Als Vertreter der Chorsolisten der Komischen Oper bitten wir Sie: Ermöglichen Sie die Fortführung der geplanten Arbeiten an unserem Stammhaus und sichern Sie so die Zukunft dieses einmaligen kulturellen Erbes. Wir befinden uns im permanenten Austausch mit der Hausleitung, die unser uneingeschränktes Vertrauen genießt und würden uns freuen, wenn sie mit dieser im Gespräch blieben.

Mit Hoffnung und Respekt,

Der Vorstand des Chores der Komischen Oper Berlin
Carsten Lau
Katharina Thomas
Tim Dietrich